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Lesen im Dunkeln – schädlich für die Augen oder harmlos?

„Mach das Licht an, sonst verdirbst du dir die Augen!“ – Diesen Satz haben viele von uns als Kinder immer wieder gehört. Ist Lesen bei schwachem Licht tatsächlich schädlich für die Augen oder handelt es sich um ein weitverbreitetes Gesundheitsmärchen? In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die Abläufe im Auge bei schlechten Lichtverhältnissen und klären, ob unser Sehsinn darunter wirklich leidet.


Was passiert beim Lesen im Dunkeln?

Lesen bei Dunkelheit bedeutet für die Augen eine deutlich höhere Anstrengung. Es kann zu schneller Ermüdung, verschwommenem Sehen, brennenden oder geröteten Augen und sogar zu Kopfschmerzen führen. Der Grund: Die Augen müssen bei schlechten Lichtverhältnissen intensiver arbeiten.


Um möglichst viel Licht einzufangen, weiten sich die Pupillen. Das reduziert jedoch die Tiefenschärfe – kleine Buchstaben scharf zu erkennen wird dadurch schwieriger. Gleichzeitig wird der sogenannte Ziliarmuskel besonders beansprucht. Dieser Muskel verändert die Form der Augenlinse, um Objekte auf der Netzhaut scharf abzubilden.


Doch nicht nur Muskeln sind im Einsatz – auch auf zellulärer und molekularer Ebene arbeitet das Auge auf Hochtouren. In der Netzhaut sind vor allem die lichtempfindlichen Stäbchenzellen gefordert. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Sehfarbstoff Rhodopsin, der sich aus dem Protein Opsin und dem lichtempfindlichen Molekül 11-cis-Retinal (einer Vitamin-A-Verbindung) zusammensetzt.   Bei Licht passiert folgendes: Das 11-cis-Retinal verändert seine Form – es wird in die sogenannte all-trans-Form umgewandelt. Dadurch verändert sich auch die Struktur des gesamten Rhodopsin-Moleküls. Diese Veränderung löst eine biochemische Kettenreaktion aus, an deren Ende ein elektrisches Signal an das Gehirn gesendet wird. So entsteht der eigentliche Sehreiz. Im Dunkeln bleibt das Rhodopsin dagegen unverändert in seiner lichtempfindlichen Ausgangsform. Das Auge bleibt so dauerhaft empfindlich und bereit, auch schwaches Licht wahrzunehmen.


Gibt es langfristige Schäden durch Lesen im Dunkeln?

Trotz der beschriebenen Symptome kann an dieser Stelle Entwarnung gegeben werden: Langfristige Schäden entstehen durch das Lesen bei schlechtem Licht nicht. Die Augen regenerieren nach einer Pause oder nach dem Schlafen vollständig. Die Beschwerden sind also vorübergehend und nicht gefährlich.


Wer ist besonders empfindlich?

Für die meisten Menschen ist Lesen bei schwacher Beleuchtung zwar anstrengend, aber unbedenklich. Kinder und Jugendliche, deren Augen sich noch im Wachstum befinden, sollten allerdings möglichst bei guten Lichtverhältnissen lesen, vor allem wenn eine genetische Veranlagung für Kurzsichtigkeit besteht. Auch Menschen mit bestimmten Augenproblemen – etwa Schielen – können bei schlechten Lichtverhältnissen verstärkte Beschwerden bemerken.


Empfehlungen für gesundes Lesen – auch bei schwachem Licht

Auch wenn Lesen im Dunkeln nicht schädlich ist, kann man einiges tun, um die Augen zu entlasten:


  1. Regelmäßige Pausen einlegen

    Alle 20–30 Minuten eine kurze Pause, in die Ferne blicken oder die Augen schließen – das entspannt die Muskulatur.

  2. Augenübungen durchführen

    Blinzeln, Augenrollen oder Fokussieren auf nahe und ferne Objekte stärkt die Augenmuskulatur.

  3. Lesebrille verwenden (wenn nötig)

    Wer eine Brille braucht, sollte sie beim Lesen auch bei schwachem Licht tragen, um die Belastung zu reduzieren.

  4. Gute Lichtverhältnisse schaffen

    Eine angenehme, flimmerfreie Lichtquelle mit ausreichender Helligkeit unterstützt entspanntes Lesen.

  5. Digitale Geräte augenschonend einstellen

    Helligkeit anpassen, Text vergrößern und Blaulichtfilter aktivieren – besonders wichtig beim Lesen auf Tablets oder E-Readern.

  6. Bewusst blinzeln und für Feuchtigkeit sorgen

    Beim konzentrierten Lesen wird weniger geblinzelt. Achten Sie bewusst darauf, regelmäßig zu blinzeln, um trockene Augen zu vermeiden.


Fazit: Anstrengend, aber harmlos

Lesen bei schwacher Beleuchtung ist zwar anstrengend für die Augen, aber nicht schädlich – sie müssen lediglich mehr arbeiten, zum Beispiel durch verstärkte Fokussierung und eine eingeschränkte Tiefenschärfe. Dies führt zu vorübergehender Ermüdung, verschwommenem Sehen, brennenden oder geröteten Augen und sogar zu Kopfschmerzen. Für längeres, angenehmeres Lesen empfehlen sich dennoch gute Lichtverhältnisse, regelmäßige Pausen und bewusstes Blinzeln – so bleibt Lesen ein Vergnügen und wird nicht zum Workout für die Augen.

 
 
 
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