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Spinnenaugen: Faszinierende Fakten über das Sehen von Spinnen

Wer bei Spinnen nur an krabbelnde Achtbeiner denkt, übersieht ein faszinierendes Detail – ihre Augen. Mit bis zu acht hochspezialisierten Einzelaugen sind Spinnen wahre Meister der optischen Anpassung. Ob lichtempfindliche Nachtjäger oder farbsehende Springspinnen – ihre Sehsysteme sind so unterschiedlich wie ihre Lebensweisen. Diese kleinen Wunderwerke der Natur zeigen, wie ausgeklügelt Evolution funktionieren kann, und eröffnen erstaunliche Einblicke in die Welt der Spinnentiere.


Anzahl und Anordnung der Augen – angepasst an Lebensraum und Verhalten

Die meisten Spinnenarten besitzen acht Augen, die in charakteristischen Anordnungen auf dem Vorderkörper (Cephalothorax bzw. Prosoma) sitzen. Es gibt jedoch auch Arten mit sechs, vier oder sogar weniger Augen – einige extrem spezialisierte Höhlenbewohner kommen ganz ohne Augen aus. Die genaue Anzahl und Anordnung der Augen hängt eng mit der jeweiligen Lebensweise und Jagdstrategie zusammen.


Hauptaugen und Nebenaugen und ihre unterschiedliche Aufgaben

Spinnenaugen sind Punktaugen (Ocelli) und bestehen jeweils aus einer einfachen Linse, die das Licht auf die Netzhaut (Retina) fokussiert. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Hauptaugen (primäre Augen) und Nebenaugen (sekundäre Augen).


Die Hauptaugen der Spinnen, auch als vordere Mittelaugen bekannt, befinden sich zentral an der Vorderseite des Kopfes und gehören zu den leistungsfähigsten Sinnesorganen dieser Tiere. Sie sind nach vorne ausgerichtet und zeichnen sich bei vielen Arten durch eine bewegliche Netzhaut aus, die mithilfe feiner Muskeln seitlich verschoben werden kann. Diese besondere Eigenschaft erweitert das Gesichtsfeld erheblich und ermöglicht eine präzise Entfernungswahrnehmung. Die Hauptaugen liefern ein detailliertes Bild der Umgebung und sind bei einigen Arten sogar in der Lage, Farben zu erkennen und Entfernungen genau abzuschätzen.


Die Nebenaugen der Spinnen befinden sich paarweise seitlich oder hinten am Kopf und sind vor allem für die Bewegungserkennung sowie die Verstärkung des Lichts verantwortlich. Bei den meisten Arten verfügen die Nebenaugen über ein sogenanntes Tapetum, eine reflektierende Schicht, die das einfallende Licht zurückwirft und es somit die Netzhaut zweimal durchqueren lässt. Diese Anpassung verbessert die Lichtausbeute erheblich und ist besonders vorteilhaft für nacht- oder dämmerungsaktive Spinnen, da sie so auch bei schwachem Licht eine bessere Sicht haben. Durch das Tapetum erscheinen die Nebenaugen tagsüber häufig hell-silbrig, während die Hauptaugen in der Regel fast schwarz wirken. Eine Ausnahme bilden Springspinnen und Luchsspinnen, bei denen das Tapetum vollständig fehlt. Einige Spinnenarten verfügen über noch weitergehende visuelle Fähigkeiten, wie die Fähigkeit, polarisiertes Licht zu erkennen. Diese Fähigkeit verbessert ihre Orientierung und hilft ihnen, auch unter extremen Lichtverhältnissen – etwa bei greller Helligkeit oder in der Dämmerung – präzise zu navigieren und Beute zu fangen.


Sehschärfe und Unschärfemessung bei Springspinnen

Springspinnen (Salticidae) zählen zu den visuell leistungsfähigsten Spinnenarten. Ihre nach vorne gerichteten, stark vergrößerten Hauptaugen ermöglichen ein exzellentes räumliches Sehen sowie die Wahrnehmung von Farben. Mehrere Netzhautschichten mit jeweils unterschiedlicher Fokussierung erlauben eine äußerst präzise Entfernungseinschätzung – besonders im grünen Wellenlängenbereich. Dieser als ‚Unschärfemessung‘ bekannte Mechanismus dient nicht nur der genauen Bestimmung der Beutedistanz, sondern hat auch die Entwicklung technischer Tiefensensoren inspiriert. Die Jagdstrategie der Spinne ist dabei besonders effizient: Mit einem präzisen Sprung, gesichert durch einen Spinnfaden, schnellt sie auf ihre Beute zu und packt sie blitzschnell mit den kräftigen Vorderbeinen. Die übrigen Augenpaare übernehmen ergänzende Funktionen – etwa das Erkennen von Bewegungen in der Umgebung, um potenzielle Gefahren frühzeitig wahrzunehmen. Interessanterweise beeinflusst auch der Ernährungszustand das Sehvermögen: Unterernährte Springspinnen verlieren Photorezeptoren und damit einen Teil ihrer Sehschärfe, während gut genährte Tiere ihre volle visuelle Leistungsfähigkeit beibehalten. Die genetischen Grundlagen dieser hochentwickelten Augen ähneln jenen anderer komplexer Sehsysteme – etwa dem menschlichen Auge oder den Facettenaugen von Insekten.


Fazit

Spinnenaugen sind wahre Meisterwerke der Evolution – hochspezialisierte Einzelaugen, die je nach Art unterschiedlich angeordnet und ausgestattet sind. Ihre Hauptaugen liefern gestochen scharfe Bilder und ermöglichen präzise Entfernungsabschätzung, während die Nebenaugen auf Bewegungserkennung und Lichtverstärkung spezialisiert sind. Diese clevere Kombination verschafft Spinnen ein bemerkenswert breites Sichtfeld und macht sie zu effizienten Jägern, die blitzschnell auf Beute und Bedrohungen reagieren können.


Doch ihre Sehsysteme sind nicht nur für das Überleben entscheidend – sie spiegeln auch die enge Verbindung zwischen Sinnesleistung, Lebensweise und Ernährung wider. Jede Spinnenart ist ein Beispiel für die raffinierte Anpassungsfähigkeit der Natur. Und genau darin liegt ihr Geheimnis: Die Vielfalt der Spinnenaugen liefert nicht nur faszinierende Einblicke in die Evolution, sondern inspiriert auch moderne Technologien – von Kamerasystemen bis hin zu robotischen Sehhilfen. Wer sich mit Spinnenaugen beschäftigt, entdeckt nicht nur ein Stück Naturwunder, sondern auch ein Fenster in die Zukunft der Forschung und Technik.


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