Guten Tag Augen-Experten und Leidensgenossen,
ich wende mich heute mit einer Frage zum retinalen Venenverschluss an Sie. Es geht um eine Frage, bei der mir die bisherig konsultierten beiden Augenärzte vor Ort die Antwort letztlich schuldig geblieben sind.
Die Ausgangssituation ist folgende:
Ich habe im Sommer einen retinalen Venenverschluss kombiniert mit einem Arterienverschluss auf dem linken Auge erlitten.
Ich habe die Symptome leider nicht rechtzeitig in ihrer Gefährlichkeit erkannt und habe fatalerweise zu lange gewartet, zum Augenarzt zu gehen. Es war ein heller Fleck zu sehen, der nur gegen das Licht zu sehen war. Später bekam er einen roten Rand und es kamen 3 spiralförmige Fäden dazu. Ich schob das auf eventuelles zu langes Schauen in Richtung Sonne beim Joggen. Erst als ich eines Morgens mit einem “Schleier” (eher einer “grauen Wand”) aufgewacht bin, habe ich mich in Behandlung begeben. Meine Fehleinschätzung resultierte aus einer Erfahrung vor 20 Jahren. Damals hatte ich bereits einen Verschluss auf dem rechten Auge, der im Auge ein paar umherschwimmende Blutwölkchen bildete. Da die Symptome damals andere waren, dachte ich nicht an einen weiteren Verschluss, was im Nachhinein eine Fehleinschätzung war. Die Blutwölkchen damals waren harmloser als der Schleier “jetzt”. Damals betonten die Ärzte in der Uniklinik Freiburg, “ich hätte nochmal Glück gehabt”. Der damalige Verschluss auf der rechten Seite hat sich seitdem sehr gut erholt.
Heute geht es um die linke Seite: Gleich nach der ersten Behandlung wurde das übliche Procedere mit den Spritzen eingeleitet, die einen VEGF-Blocker beinhalten, der das unkontrolliert „wuchernde“ Wachstum ungewollter Gefäße stoppen soll (die brüchig sind, die zu Blutungen neigen etc.). Es wurden in 4-wöchigem Abstand 3 Injektionen gesetzt.
Mein eigener, subjektiver Eindruck seitdem, ist, dass sich der Schleier zurückbildet: langsam aber stetig; aber immerhin - es tut sich was! Die Minderdurchblutung erholt sich also wieder. Die ursprünglich “graue Wand“ wird immer durchsichtiger und löchriger. Wo zu Anfang nur eine graue dicke Mauer war, sehe ich jetzt wieder schemenhaft über das gesamte Blickfeld des betroffenen linken Auges - teils deutlicher, teils schwächer, aber komplett. Wenn das an der Durchblutung der Netzhaut liegt, dann kommt die Durchblutung also auf jeden Fall zurück.
Ich führe die Verbesserung auf die Behandlung mit den Spritzen zurück, die ja wohl als die schonendere (modernere) Alternative zur Laserkoagulation gesehen werden.
Jetzt stehe ich aber unmittelbar (übermorgen,!) Mi. 30. Nov) davor, mit dem Laser behandelt zu werden.
Ich habe bereits den Augenarzt gewechselt, weil ich mir davon erhofft hatte, dass der zweite (das ist derjenige, der mir vor 20 Jahren gut geholfen hat) die Behandlung mit den Spritzen fortsetzt. Aber auch dieser Augenarzt drängt jetzt nachdrücklich und eilig auf die Laserkoagulation. Das sei jetzt alternativlos, unabdingbar (wegen drohender Komplikationen: erhöhter Augendruck, Einblutungen, Schmerzen etc.).
Mein Problem: Bei der Laserbehandlung sehe ich die zarten Fortschritte auf der Netzhaut, die ich selber bemerke, als abrupt beendet an, da der Laser ja endgültig Gewebe zerstört und nicht nur einen Blocker wirken lässt, welcher das Gewebe als solches aber unberührt und somit intakt bleiben lässt. Intaktes Gewebe sehe ich - als Laie - aber als unabdingbar an, wenn sich weitere Verbesserungen auf der Netzhaut einstellen sollen. Ich möchte diesen begonnenen Heilungsprozess natürlich keinesfalls abbrechen, da ich ja sonst für den Rest meines Lebens diesen Schleier sehen werde, wenn der jetzige Zustand quasi lediglich „eingefroren“ würde. So zumindest meine Befürchtung!
Ich habe mich auch in einem Forum für Augenheilkunde mit einem Augenarzt in Verbindung gesetzt. Er antwortet immer sehr knapp, was wohl daran liegt, dass er das nebenbei macht und dabei auch mehrere Anfragen gleichzeitig betreut. Aber egal. Der letzte Stand der Diskussion ist der, dass er wohl meine Bedenken teilt.
Da nun auch der Experte im Forum meine Bedenken teilt, bin ich natürlich umso mehr hin- und hergerissen. Gibt es denn keine bessere, hoffnungsvollere Lösung als die Laserkoagulation bereits nach 3-maliger Spritzengabe? Muss das wirklich sein?! Oder tue ich der Methode “Laserkoagulation” unrecht und der von mir erkannte langsame Heilungsprozess geht womöglich trotzdem weiter, aus Gründen, die mir als Laie nicht bekannt sind? Was wäre Ihre Einschätzung?
Vielen Dank für Ihre Zeit!😊
fanofkeira
Ok, ich sollte natürlich nicht von einem negativen Erlebnis auf die ganze Zunft und Wissenschaft schließen. Das war sicher überzogen. Aber ist man erst mal enttäuscht worden, dann kann das eben auch leicht "r/überschwappen". Von Medizinern habe ich grundsätzlich eine sehr hohe Meinung. Diese Überlastungssituation ist ja letztlich einer kaufmännischen Denke geschuldet: Mit wenig Personal viel leisten sollen damit der Laden "sich rechnet". Dass das zu Problemen führen kann, sollten kluge Menschen reflektieren.
Ich lasse mich jetzt jedenfalls im neuen Setting vollends auf den Stand der Wissenschaft ein und hoffe natürlich das Beste.
Heute wurden in einer von insgesamt 3 angedachten Sitzungen 200 Laserpunkte gesetzt. Ich hoffe nur, dass der Stand der Augenheilkunde es besser weiß als meine Intuition, die skeptisch bleibt.
Was mir übrigens stark auffällt ist, dass der Schleier nach jeglichem Liegen immer am stärksten ist; besonders morgens beim Aufstehen. Aber auch tagsüber wenn ich liege. Gibt es dafür eine Erklärung?
Auf jeden Fall gehe ich nun mit einem besseren Gefühl in das, was morgen Nachmittag ansteht. Das ist schon mal sehr viel wert! Dafür Danke!
Danke erst mal für Ihre ausführliche Antwort! So etwas hätte ich mir mal in einer Besprechung beim "Arzt" gewünscht. Aber das Setting bei der 1. Ärztin gab das nicht her. Es war immer nur " Wir machen jetzt dies! ... Wir machen jetzt das!...." Sie hat wahnsinnig viele Patienten. Die Individual-Beteachtung, geschweige denn ein Dialog, kam da viel zu kurz. Technisch wurde da bereits alles mögliche gemacht, Das war nicht das Problem. Ich habe alle möglichen Aufnahmen in Printform vorliegen: Die ursprüngliche Schwellung an der Vene, der Rückgang der Schwellung. Auch diese Fluoreszensangiographie. "Technisch" ist/war alles perfekt. Aber die Schlüsse, die daraus gezogen worden sind, wurden eben imme nur sehr knapp "präsentiert". Da fehlte mir immer der Kontext! Es war so ein bisschen "wie am Fließband". Anders bei dem weiteren Arzt zu dem ich gegangen bin, der mich schon früher erfolgreich behandelt hat. Dessen Aussagen stimmen ziemlich genau mit Ihren überein. Lasern in den Randbereichen etwa ... Mir ging und geht es immer nur darum dass das Positive, das ich an meinem Auge beobachte, sich weiter so positiv entwickeln kann. Durch Verödung von Gewebe sah ich das vereitelt oder zumindest verschlechtert..
Eine individuelle Beratung ist immer nur nach Begutachtung und in Zusammenschau aller Befunde möglich.
Meine persönliche Meinung: Retinale Venenverschlüsse
Meiner Erfahrung sprechen betroffene Patienten meist sehr gut auf die Injektionstherapie mit anti-VEGF an. Die von Ihnen bemerkte Besserung des Sehens lässt sicht vermutlich auf ein bestehendes zentrales Makulaödem zurückführen.
Einfach: In Folge der Thrombose besteht in ihrem Sehzentrum ein Ödem (Flüssigkeit). Dieses bildet sich dank der Spritzen zurück -> Ihr Sehen wird besser.
Allerdings kommt es in Folge der Minderdurchblutung durch Venenverschluss und Arterienverschluss, trotz anti-VEGF oft zu Krankheitsorten an anderen Stellen. Eine Rubeosis Iridis kann beispielsweise zu einem Augendruckanstieg oder einem visusbedrohenden Glaukomanfall führen. Proliferationen im Hinterabschnitt können zu Glaskörperblutungen führen.
Einfach: Gefäßverschlüsse haben Folgen, die man als Patient oft erst wahrnimmt, wenn es zu spät ist
Bei einer Laserkoagulation wird (normalerweise) die Peripherie (also die Außenbereiche des Auges) behandelt. Dies verringert den Sauerstoffbedarf und reduziert das Risiko für das Auftreten weiterer Komplikationen. Ob diese bereits in ihrer jetzigen Situation notwendig ist kann Ihnen nur nach Untersuchung mitgeteilt werden. Diesbezüglich sollten Sie einen Netzhautspezialisten aufsuchen, welchem Sie vertrauen. Dennoch werden die Meinungen für den optimalen Zeitpunkt einer Laserkoagulation variieren gerade bei grenzwertigen Fällen. Zu den Untersuchungen sollte evtl zusätzlich zu Funduskopie und OCT sowie Gonioskopie, eine Fluoreszenzangiographie/ OCT Angiographie durchgeführt werden.
Einfach: Spritzen und Laser sind nicht eine entweder oder Behandlung. Das Ziel der Lasertherapie ist ein langfristiger erhalt einer möglichst guten Sehleistung, auch wenn dafür ein Teil des Sehens (in den Randbereichen) zerstört oder geopfert wird.
Arterienverschluss
Da Sie auch erwähnt haben, dass gleichzeitig ein Arterienverschluss besteht. Die betroffenen Areale werden oft nicht mehr mit Blut versorgt wodurch es zu einer dauerhaften Sehverschlechterung kommt. Diese wird sich auch durch eine intravitreale Therapie (Spritzen) nicht bessern und wird aus oben genannten gründen oft mit einem Laser behandelt , um das Risiko für weitere Komplikationen zu reduzieren.
Relevante Artikel:
ALK (Netzhautlaser)
Proliferationen
Zentralarterienverschluss
Zentralvenenverschluss